Rottenstruktur und Konkurrenz im subalpinen Fichtenwald - eine modellhafte Betrachtung

Dissertation von Gerhard Strobel (1995)

 

Zusammenfassung

Subalpine Fichtenwälder zeichnen sich natürlicherweise durch einen mosaikartigen Waldaufbau aus. Von ihrer Umgebung deutlich abgegrenzte Baumkollektive aus eng beieinanderstehenden Bäumen mit einem gemeinsamen tiefreichenden Kronen-mantel werden Rotten genannt. Sie entstehen durch eine kleinstandörtlich rasch wechselnde Gunst und Ungunst der Ansamungs- und Aufwuchsbedingungen unter klimatisch extremen Verhältnissen.

Am Beispiel eines ein Hektar großen, naturnahen Bestandesausschnitts an einem Osthang in den Schweizerischen Zentralalpen - nahe Sedrun / Graubünden - wird die Rottenstruktur und -textur studiert. Grundlage der Untersuchung bildet die  Bestandesaufnahme aller Bäume ab etwa 20 cm Höhe. Diese werden nach ihrer Lage und ihren waldwachstumskundlichen Merkmalen aufgenommen. An drei ausgewählten entnommenen Rotten wird das Wachstum per Stammanalyse  nachvollzogen. In Verbindung mit Kronenanalysen liefern die Wachstumsdaten die Grundlagen zur Charakterisierung der Bestandestextur und zur Entwicklung eines Konkurrenzmodells.

Zustand und Entwicklung

Der vertikale Habitus und die Form der Kronenprojektionsflächen der gesamten Rotte hängen stark von deren Entwicklungszustand ab. Rotten unterscheiden sich - je nach Entwicklungsstadium - deutlich in Form und Gestalt, wobei die Bandbreite von  der idealen, nach allen Seiten tiefbeasteten und nach außen gut abgegrenzten Rotte bis hin zu Ansätzen von „Großkollektiven“ geht. Die Kronen-Projektionsflächen liegen zwischen drei und über 500 m² bei Stammzahlen von zwei bis 32 Bäumen.

Auf der gesamten Untersuchungsfläche erstreckt sich der Altersrahmen der Bäume bis zu 300 Jahren. Eine breite Streuung von Alter, Höhen und Durchmessern deutet auf eine insgesamt günstige Vertikalstrukturierung hin. Innerhalb der Rotten hingegen ist die Altersstreuung bei zwei Dritteln der untersuchten Kollektive erstaunlich gering.

Bezüglich ihrer physikalischen Stabilität sind Unterschiede zwischen Einzelbäumen mit einem mittleren Schlankheitsgrad von 59 und Rottenbäumen feststellbar. Rottenrandbäume sind mit einem mittleren h/d-Wert von 65 abholziger und stabiler als Bäume im Rotteninnern (mittlerer h/d-Wert: 73). Kronenbrüche, die während eines Baumlebens mehrfach auftreten können, wirken sich auf die Stabilität aus. Aufgrund des klimabedingt langsamen Fäulefortschritts sind Kronenbrüche bei langkronigen Bäumen nicht unbedingt als Schaden zu werten, sondern wirken sich durch die Verlagerung des Baumschwerpunkts nach unten stabilisierend auf den Baum und die Rotte als Ganzes aus.

Auf der Grundlage von Stammanalysen an 52 Rottenbäumen aus drei Rotten und zwei Einzelbäumen werden Stammformen, Wachstumsabläufe und Rottenentwicklung untersucht.

  • Die Stammformen von Randbäumen mit langen, einseitigen Kronen ähneln denen der untersuchten Einzelbäume. Im Innern der ältesten Rotte sind die Bäume kurzkronig und schlank.
  • Das Höhenwachstum vollzieht sich mit wenigen wüchsigen Ausnahmen in der Jugend langsam. Nach dem Durchwachsen einer gefährdeten Höhenzone (Schneekriechen, Wildverbiß) steigt das Höhenwachstum rasch an. Unterschiede sind zwischen den Rotten, weitaus deutlicher aber innerhalb der Rotten, festzustellen.
  • Stärker noch ist die Differenzierung im Durchmesser- und Volumenwachstum. Die Einzelbäume, in geringerem Umfang die Rottenrandbäume, weisen dank ihrer großen Kronen die höchsten Zuwächse auf.
  • Unterdrückte Bäume können jahrzehntelang bei minimalem Zuwachs überleben. Am Beispiel des Einzelbaumes 1 wird gezeigt, daß selbst nach sehr langer Wachstumsdepression ein zeitlich versetztes, normales Höhenwachstum möglich ist.

Die Rekonstruktion der Rottenentwicklung ergibt bei allen drei untersuchten Rotten eine rasche Ansamung von sog. „Primärkollektiven“ innerhalb weniger Jahre. Die Differenzierung führt in Verbindung mit der Ansamung weiterer Bäume im Randbereich zu einem kegelähnlichen Rottenhabitus. In eine zweite Entwicklungsphase tritt die Rotte nach dem Kronenschluß mit einer oder mehreren Nachbarrotten zu „Sekundärkollektiven“. Dabei kann der kegelförmige Habitus verlorengehen. Die Stabilisierungswirkung geht dann zunehmend von Randbäumen aus.

Rottentextur

Zur objektivierten Charakterisierung der Rottentextur wird ein einfaches Verfahren vorgestellt, das Bäume aufgrund ihrer Abstände und ihrer potentiellen Kronenradien Aggregationen zuordnet. Die Variation der Kronenradien durch einen Multiplikator - also die Veränderung des „Betrachtungsmaßstabs“ - erlaubt die Zuordnung eines Baumes zu mehreren, „ineinander verschachtelten“ Aggregationen.

  • Die Darstellung der Häufigkeit der Baumaggregationen über dem Betrachtungsmaßstab resultiert in einem bestandestypischen „Texturprofil“. Die Rottentextur hebt sich von Plenterstrukturen und einschichtigen Beständen durch eine maximale Aggregationsdichte bei geringer relativer Entfernung ab.
  • Die Rekonstruktion und Fortschreibung der Texturentwicklung eines Ausschnitts der Untersuchungsfläche vom Jahr 1840 bis zum Jahr 2040 zeigt ein deutliches Aggregationsmaximum um 1920. Seither ist ein Trend zum Zusammenwachsen zu Großkollektiven zu beobachten.

Konkurrenzmodell

Zur Quantifizierung und Rekonstruktion der Konkurrenzentwicklung innerhalb der Rotte wird - auf der Grundlage der Stammanalysen - ein abstandsabhängiges, deterministisches und dreidimensionales Konkurrenzmodell entwickelt. Das Modell berücksichtigt die wesentlichen oberirdisch auf den einzelnen Baum wirkenden Konkurrenzfaktoren. Zielgrößen sind die direkte Kroneneinengung durch unmittelbare Nachbarbäume und die Beschattung durch Bäume in unterschiedlicher Entfernung. Ein Schwergewicht wird auf die Berücksichtigung des Geländereliefs gelegt. Konkurrenzeinflüsse werden als „Reduktion der Kronenmantelfläche“ eines Baumes interpretiert.

Modellergebnisse

  • Das örtliche Geländerelief um die Untersuchungsfläche bewirkt eine Reduktion der potentiellen direkten Sonneneinstrahlung um 23%. Die potentielle diffuse Strahlung wird, unter Annahme eines standardbedeckten Himmels, durch das Relief um knapp 5% reduziert
  • Die Visualisierung der Konkurrenzwirkung nach Art und Ort auf der Kronenmantelfläche wird durch sog. „Konkurrenzprofile“ für direkte Kronenkonkurrenz sowie für indirekte Konkurrenz (um direkte und um diffuse Sonneneinstrahlung) möglich. Für den Genuß an direkter Strahlung sind vor allem die freien, unteren Kronenpartien von Bedeutung. Die relative diffuse Strahlungsmenge ist im oberen Kronenbereich höher.
  • Hangneigung und Hangrichtung haben den größten Einfluß auf die  Konkurrenzsituation um direkte Strahlung. Am Nordhang wirkt sich die Hangneigung am stärksten aus. Die räumliche Stellung des Rottenbaumes modifiziert den direkten Strahlungsgenuß stark. Bei der direkten Kronenkonkurrenz sowie der Konkurrenz um diffuse Strahlung ist die Bedeutung von Hangneigung und Exposition unspezifisch.
  • Der Konkurrenzwert für diffuse Strahlung (DF) kann beim periodischen Höhenzuwachs 43% der Streuung erklären. Zwischen dem periodischen Volumenzuwachs und der durch direkte Strahlungskonkurrenz „reduzierten Kronenmantelfläche“ ist die Beziehung straffer. Durch sie können 80% der Streuung erklärt werden. Regressionsmodelle, die zwei oder drei Einflußgrößen berücksichtigen, bringen aufgrund der Korrelation zwischen den Konkurrenzfaktoren keine Verbesserung des Zusammenhangs.

Publikationen

Strobel, G. W. (1995). Rottenstruktur und Konkurrenz in subalpinen Fichtenwald eine modellhafte Betrachtung. Zürich, 201 S. [Link]

Strobel, G. (1997). "Waldwachstumskundliche Untersuchungen an Fichten-Rotten der subalpinen Höhenstufe." Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 148(1): 45-72.

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