Brang (1996): Experimentelle Untersuchungen zur Ansamungsökologie der Fichte im zwischenalpinen Gebirgswald (Dissertation)

Zusammenfassung

Die natürliche Ansamung der Fichte (Picea abies (L.) Karst.) in kleinen Bestandeslücken in der obermontanen und subalpinen Stufe der Zwischenalpen wurde mit Feldexperimenten untersucht. Zwei Untersuchungsgebiete wurden ausgewählt; sie lagen in reinen Fichtenbeständen mit hoher Schutzfunktion an je einem 70 bis 90 % steilen Südhang (Uaul Bugnei) und Nordhang (Uaul Surrein) bei Sedrun (Graubünden, Schweiz). Unter unterschiedlichen Faktorenkonstellationen angelegte Saatversuche wurden über 3 Jahre verfolgt.

Folgende ökologische Faktoren wurden in die Untersuchung einbezogen: Höhenlage (zwischen 1570 und 1800 m ü.M.), potentielle direkte tägliche Sonneneinstrahlung (zwischen 0 und 4½ Stunden), Oberbodenart (Rohhumus- und Moderauflagen oder Mineralerde), Vegetation und Überschirmung durch Lückenrandbäume. Mikroklimatische Messungen begleiteten die Saatversuche.

Südhang und Nordhang unterscheiden sich mikroklimatisch und  ansamungsökologisch stark. An beiden Expositionen führt die unterschiedliche Direktstrahlung zu starken Unterschieden im Wärmehaushalt innerhalb der Bestandeslücken: Die besonnten Bestandesränder sind wärmebegünstigt, die sonnenabgewandten kühl, sowohl was die Luft wie den Boden betrifft. Der Nordhang ist insgesamt wesentlich kühler und feuchter als der Südhang, und die Direktstrahlung variiert hier im Gegensatz zum Südhang im Jahresablauf stark.

Am Südhang ist der Wasserhaushalt in den Bestandeslücken mit 10 bis 20 m Durchmesser wesentlich von Interzeption und Direktstrahlung abhängig. Die kleinstandörtlichen Unterschiede in den Lücken führen zu grossen ansamungsökologischen Unterschieden. Die Austrocknungsgefahr der Humusauflagen, ihre Erhitzung bei längerer Sonneneinstrahlung und Lufttrockenheit machen bei durchschnittlicher Witterung eine erfolgreiche Keimung unmöglich, sofern die potentielle tägliche Sonnenscheindauer rund zwei Stunden im Hochsommer  übersteigt. Mittagssonne ist besonders ungünstig. Unter Schirm ist eine erfolgreiche  Keimung am Südhang v.a. auf besonnten Kleinstandorten fast ausgeschlossen. Die empfindliche Phase tritt ein, wenn die Keimwurzel durchbricht.

Auf Humusauflage ist daher die Keimung infolge der begrenzten Wasserversorgung stark witterungsabhängig. Die Keimung ist möglich auf Kleinstandorten mit geringer Besonnung (weniger als etwa 1½ Stunden täglich) und v.a. auf Mineralerde. Der Wasserhaushalt der Mineralerde ist auch bei hoher Besonnung günstig, und die Samen werden bei Starkregen mit Bodenmaterial überdeckt und so vor Trockenstress geschützt.

Am Nordhang hingegen ist die Keimung auf Humusauflage und auf Mineralerde in den schlitzförmigen Bestandeslücken fast überall möglich. Auch hohe Direktstrahlung (bis 4½ Stunden täglich) kann die Keimung nicht behindern. Ungünstig sind nur  Kleinstandorte unter Schirm und generell dichte Vegetation.

Einmal installierte Keimlinge und Sämlinge ertragen am Südhang auf Humusauflage wesentlich vielfältigere ökologische Bedingungen als keimende Samen. 90 % der Ansamung überstehen auch extreme Trockenperioden von etwa 20 Tagen Dauer. Hauptschadensursache sind pathogene Pilze, v.a. der Schwarze Schneeschimmel (Herpotrichia juniperi) und ein unbekannter Pilz, der nach der Ausaperung während rund einer Woche folienartig grosse Flächen bedeckt. Direktstrahlung fördert das Wachstum bei genügender Wasserversorgung; sonst wirkt sie wachstumshemmend. Die Nährstoffversorgung scheint nicht wachstumsbegrenzend zu sein.

Am Nordhang benötigen Sämlinge mindestens 1½ Stunden potentielle tägliche Direktstrahlung im Sommer, um längerfristig überleben und sich gut entwickeln zu können. Die Schadensursachen sind dieselben wie am Südhang; Pilze spielen eine noch grössere Rolle. Auf Humusauflage ist das Wachstum etwas besser als auf Mineralerde.

Am Südhang stellt die Naturverjüngung der Fichte eine heikle Optimierungsaufgabe dar, die bei ungünstiger Witterung leicht fehlschlagen kann. Es wird das Anlegen kleiner schlitzförmiger Bestandesöffnungen unter 500 m² Grösse in West-Ost-Richtung empfohlen, wobei der Sonneneinstrahlung mittags möglichst wenig Zutritt zu geben ist und die Interzeption möglichst gering sein sollte. Um zuverlässig Ansamung zu erhalten, ist die Humusauflage kleinflächig abzuschürfen oder zu Pflanzungen auf günstigen Kleinstandorten zu greifen.

Am Nordhang ist die Naturverjüngung mit den erprobten, schräg zum Hang liegenden schlitzförmigen Bestandesöffnungen mit 10 bis 15 m Breite und 50 bis 100 m Länge  leicht zu erhalten. Die Ansamungsgunst ist wenig witterungsabhängig. Nachmittagssonne ist günstiger als Morgensonne. Die Vegetation, darunter auch Pioniermoose wiePolytrichum formosum, breitet sich allerdings rasch aus und verringert damit den Flächenanteil ansamungsgünstiger Kleinstandorte. Zur Risikominimierung wird empfohlen, die Moderholzverjüngung durch Liegenlassen von Stämmen langfristig wieder zu fördern.

Die Ergebnisse werden im Licht ansamungsökologischer Untersuchungen an  Koniferen aus den Alpen, Skandinavien und Nordamerika diskutiert. Abschliessend  wird versucht, die Ergebnisse auf Gebirgsfichtenwälder anderer Höhenlagen, Expositionen und Klimaregionen in den Schweizerischen Alpen zu übertragen.

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