Märki und Guggisberg (2019-2022): Kammerung im Uaul Bugnei (Pflegekonzept)

Kontext

Der Uaul Bugnei liegt in der Gemeinde Tujetsch und ist seit 1973 Teil des ETH Lehrwaldes. Der Sturm «Vivian» verursachte erhebliche Schäden, welche in den Folgejahren durch Borkenkäferbefall noch stark vergrössert wurden. Nach Vivian wurde die Fläche vollständig geräumt, mit Schneerechen verbaut und bepflanzt. Der Bestand ist ein Schutzwald Typ A (Lawine, Hangmure), steil und südexponiert. Mehrheitlich handelt es sich um einen typischen Schneesimsen-Fichtenwald (55*), in den Mulden kommt teilweise der typische Ehrenpreis-Fichtenwald (55) vor.

Im Herbst 2019 (Teil 1) sowie im Winter 2021 (Teil 2) wurde im Uaul Bugnei je eine Kammerung durchgeführt (vgl. Abbildung 1).

Jungwaldpflegemethode Kammerung

Die Kammerung wird in grösserflächigen, nadelholzreichen Jungwäldern der hochmontanen (und z.T. der obermontanen) Höhenstufen angewendet. Der Eingriff bildet die Grundlage für die Überführung von gleichförmigen Beständen in stufige Gruppenplenterwälder und zielt darauf ab, die Voraussetzungen für eine spätere gestaffelte Verjüngung zu schaffen (Glanzmann et al. 2019a). Die Jungwaldpflege muss somit sicherstellen, dass (1) genügend langfristig stabile innere Ränder und/oder Stabilitätsträger als zukünftige Randbäume kleinflächiger Verjüngungsöffnungen vorhanden sind und (2) dass eine zielkonforme und zukunftsfähige Baumartenmischung unter Berücksichtigung des Klimawandels im Bestand erhalten bleibt (Glanzmann et al, 2019b).
Stabile innere Ränder werden geschaffen, indem die horizontale Struktur von gleichförmigen nadelholzdominierten Beständen durch das Anlegen von Gassen unterbrochen wird. Diese inneren Ränder weisen auch im Baumholzalter noch grüne Kronen auf und können für spätere Verjüngungsöffnungen genutzt werden. Dabei entstehen unregelmässig geformte Kollektive, sogenannte Kammern. Die Kammern verlaufen in etwa hangparallel und haben in der Falllinie eine Breite von 20 – 40 m Horizontaldistanz. So können bei Störungen zu grosse Öffnungen in der Falllinie vermieden werden. Innerhalb der Gassen werden alle Fichten konsequent entfernt, andere Baumarten hingegen gezielt stehen gelassen (Laubhölzer, Lärche, evt. Tanne, etc.). Die Gassenbreite entspricht dabei der doppelten maximal zu erwartenden Astausladung, was einer Gassenbreite von 10 – 15 m Horizontaldistanz von Stamm zu Stamm entspricht.

Innerhalb der Kammerung können bei Bedarf einzelne Z-Bäume (Einzelbäume oder Kleinkollektive) als individuelle Stabilitätsträger oder zur Sicherung der gewünschten Mischbaumarten gefördert werden.

Vergrösserte Ansicht: Gegenhang
Abbildung 1: Orthophoto der ersten Kammerung (orange, ausgeführt im Herbst 2019) sowie deren Ost-Erweiterung (rot, ausgeführt im Winter 2021).

Kammerung Teil 1

Kennzahlen
Behandelte Fläche                    2.7 ha
Gassenlänge gesamt                534 m
Gassenbreite                              Ø 13 m
Gassenfläche                              0.7 ha
Innere Bestandesränder          1280 m

Der Aushieb von 7 Gassen erfolgte im November 2019. Um das Risiko von Borkenkäferbefall zu minimieren wurden rund 28 m3 Holz per Helikopter aus dem Bestand geflogen. Dabei handelte es sich mehrheitlich um Bäume mit BHD > 25 cm, wobei jeweils umgebende Bäume mitgenutzt wurden. Alle anderen Bäume wurden im Bestand liegengelassen. Zudem wurden in den Gassen hohe Stöcke belassen, welche mit der Motorsäge geschält wurden

1 – 2 Jahre nach dem Eingriff, sobald sich der Bestand als stabil erwiesen hatte wurde eine Z-​Baumpflege innerhalb der Kammern geplant. Im November 2020 wurden 132 Z-​Bäume oder Z-​Baum Kleinkollektive ausgesucht, und deren wichtigste Konkurrenten wurden zur Entnahme angezeichnet Dies entspricht 48 Z-​Bäumen pro Hektare. Im Durchschnitt wurden pro Z-​Baum oder Kleinkollektiv 3 Konkurrenten entfernt, wobei die Streuung zwischen 1 und 10 Konkurrenten liegt. 90% der geförderten Bäume sind Fichten und 10% Lärchen. Die insgesamt 13 geförderten Lärchen befinden sich im oberen Teil der behandelten Fläche, wo der Bestand etwas lichter ist. Einzelne Lärchen wurden auch am Rande Gassen gefördert.

 

Vergrösserte Ansicht: Teil2
Abbildung 2: Orthophoto der zweiten Kammerung (Osterweiterung) mit markierten Z-Bäumen.

Kammerung Teil 2 (Ost-Erweiterung)

Kennzahlen    
Behandelte Fläche                   3.9 ha
Gassenlänge gesamt               462 m
Gassenbreite                             Ø 11 m
Gassenfläche                             0.43 ha
Innere Bestandesränder         1148 m

Der Aushieb der Gassen wurde im Winter 2021 ausgeführt. Der gesamte Aushieb konnte kleingesägt und liegengelassen werden. Die Stöcke in den Gassen wurden hoch belassen und mit der Motorsäge geschält.

Die Z-​Baum Anzeichnung erfolgte im Sommer 2022. Dabei wurden 180 Z-​Bäume und Z-​Baum Kleinkollektive gezeichnet, welche im Herbst/Winter 2022 von ihren direkten Konkurrenten befreit wurden (vgl. Abbildung 2). Unter den Z-​Bäumen befanden sich zum grössten Teil Fichten (90%), beim rest handelte es sich um Vogelbeere (1%), Birken (6%), Bergahorn (1%) und Salweide (1%). Im Durchschnitt wurden pro Z-​Baum oder Kleinkollektiv 5 Konkurrenten entfernt, mit einem Maximum von 13 und einem Minimum von 4 Konkurrenten. Bei der Anzeichnung wurden möglichst viele vitale Stabilitätsträger gefördert. Rund um die Stabilitätsträger wurden möglichst viele Bäume zur Entnahme gezeichnet, da ein heutiger Eingriff deutlich kostengünstiger ist als ein Eingriff in Zukunft. Teilweise wurden bestehende Rotten «ausgehöhlt»: die stabilen Randbäume wurden erhalten und die Bäume, welche ohne Stabilitätseinbussen der bleibenden Bäume entfernt werden können, wurden zur Entnahme gekennzeichnet. Zusätzlich wurden ungefähr 25 instabile Bäume zur Entfernung angezeichnet (Negativ-​Auslese). Damit wollte man verhindern, dass diese Bäume die Entwicklung der Nachbarbäume negativ beeinflussen, auch wenn sie keine Z-​Bäume sind.

Dokumentation der langfristigen Entwicklung

Um die langfristige Dokumentierung zu gewährleisten, wurden insgesamt 13 Fotostandorte angelegt an denen jährlich eine Fotowiederholung erfolgt. Acht Standorte befinden sich in der ersten Kammerung und werden seit 2020 dokumentiert. Fünf weitere Standorte befinden sich in der Ost-Erweiterung und werden seit 2022 dokumentiert.

Die Fotostandorte wurden so ausgelegt, dass die Entwicklung der Kronenränder sowie der Innenbereich der Gassen beobachtet werden kann. Insbesondere bei den Fotostandorten der Ost-Erweiterungen wurde zudem Wert darauf gelegt, dass die Entwicklung der Z-Bäume und Z-Baum Kollektive (wenn möglich: Laubholz) dokumentiert wird.

Literatur

Glanzmann, L., Schwitter, R., & Zürcher, S. 2019a. Jungwaldpflege im Gebirgs- und Schutzwald. Maienfeld: Fachstelle für Gebirgswaldpflege.

Glanzmann, L., Schwitter, R., & Zürcher, S. 2019b. Jungwaldpflege im Gebirgs- und Schutzwald. Wald und Holz, 9/19, 22-25.

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