Waldgeschichte

Erste Nutzungen und Verbisssituation
Das Gebiet der heutigen Gemeinde Tujetsch wurde zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert erstmals besiedelt. Anschliessend wanderten Walser von Westen her ein und errichteten ihre typischen Streusiedlungen. Während Jahrhunderten standen die nach umfangreichen Rodungen verbliebenen Waldungen des Tujetsch unter dem Einfluss des kommunalen Weidganges. Dieses Recht geht auf rätisch-römische Zeit zurück: Nach der Ausaperung im Frühjahr und nach dem Alpabzug im Herbst durfte sämtliches Vieh (v.a. Rind und Ziege) während 1 bis 3 Wochen frei herumlaufen. Betroffen waren zwar insbesondere die Wiesen im Tal, der kommunale Weidgang hat sich aber auch im Wald ausgewirkt. Schäden durch das Vieh schienen auch im Wald eine gängige Erscheinung gewesen zu sein und finden in verschiedenen Aufzeichnungen Erwähnung.

Im Jahr 1991 wurde der kommunale Weidegang für das Rind, 1993 für Schafe und Ziegen aufgehoben. Der Verbissdruck auf den Wald ist aber kaum zurückgegangen. Der Wildbestand an Hirsch, Gämse und Reh hat in den letzten Jahrzehnten derart zugenommen, dass die Wildbelastung ein grosses Problem darstellt: Die Waldverjüngung gelingt nur noch in Einzelfällen, selbst mit der relativ wenig verbissanfälligen Fichte (Picea abies). Im Uaul Surrein wurden nach der Diplomarbeit von Bissegger (1989) zwischen Herbst 1986 und Herbst 1987 über 50% der Fichten und mehr als 80% der Vogelbeeren zwischen 10 und 130 cm Höhe am Leittrieb verbissen. Tragbar wären nach Eiberle und Nigg (1987) für Fichte 12% und für Vogelbeere ca. 30%. Im Uaul Bugnei ist die Belastung des Waldes durch das Wild noch grösser, da es sich um einen beliebten Wintereinstand handelt.

Waldbauliche Eingriffe vor 1973
Vor der Einrichtung des Lehrwaldes im Jahr 1973 erfolgten die Nutzungen eher unsystematisch. In erster Linie wurde in der Nähe von Siedlungen in Form von Losholzschlägen für die Berechtigten genutzt. Dabei wurden einerseits beschädigte oder tote Bäume zur Nutzung freigegeben (negative Auslese), andererseits vorhandene Verjüngung freigestellt.

Waldbauliche Eingriffe nach 1973
In den Beständen am Südhang (Uaul Bugnei) wurde seit dem Bau der Bahn nach Sedrun im Jahre 1926 nur noch sehr zurückhaltend eingegriffen. Erst seit 1989 ist der Wald mit einer lastwagenbefahrbaren Strasse erschlossen. Dem Sturm Vivian folgten 1990 enorme Schäden am Wald (siehe unten). Damit die Wiederbewaldung möglichst schnell vor sich geht, wurden umfangreiche Pflanzungen vorgenommen.

Seit der Schlagperiode 1979/80 wird am Nordhang (Uaul Surrein), v.a. oberhalb einer Höhenlage von 1500 m ü.M., versucht, die Verjüngung durch das Anlegen von schlitzförmigen Bestandesöffnungen einzuleiten. Diese Methode ist grundsätzlich erfolgreich, indem sich rund um die Stöcke der entnommenen Fichten Naturverjüngung einstellt. Der Erfolg dieser Methode wird durch die starke Wildbelastung grösstenteils zunichte gemacht.

Planmässige Eingriffe erfolgten in den Jahren 1979/80, 1981 bis 1983 und 1987/88; seit dem Sturm Vivian 1990 erfolgten vor allem Zwangsnutzungen, zunächst als Streuschäden im Februar 1990, anschliessend als immer massivere Käfernutzungen. Heute hat sich die Lage beruhigt.

Animation Borkenkaefer

Die Bildabfolge links zeigt die Entwicklung des Uaul Bugnei zwischen 1988 und 2016 (Fotos von Monika Frehner und Luzia Götz). Der Sturm Vivian hinterliess 1990 innerhalb des Lehrwald-Perimeters insbesondere im Uaul Bugnei massive Spuren. Dessen Westflanke wurde praktisch vollständig entwaldet, weiter östlich kam es verbreitet zu Streuschäden. Nach 1990 hat sich die offene Fläche durch Folgeschäden (sowohl Käfer als auch Windwurf) weiter vergrössert. Für den Schutz der Bahnlinie, der Strasse und der Siedlung unterhalb des Uaul Bugnei wurden temporäre Lawinenverbauungen und Steinschlagschutznetze errichtet sowie grossflächig gepflanzt. Um innerhalb des gleichförmigen Jungwaldes eine geeignete Struktur zu etablieren, erfolgte 2019 ein Jungwaldpflegeeingriff in Form einer Kammerung. Diese wurde 2022 erweitert.   

Entstehung des Lehrwaldes

Dank der Initiative von Herrn Professor Dr.Dr.h.c. Hans Leibundgut, dem Entgegenkommen der Gemeinde Tujetsch und der Unterstützung durch den Forstdienst des Kantons Graubünden konnte 1973 das damalige Institut für Waldbau der ETH Zürich mit der Gemeinde Tujetsch einen Vertrag über den Lehrwald abschliessen. Bis 2003 war die Professur Waldbau Vertragspartner an der ETH, seit 2004 ist die Professur Waldökologie dafür zuständig. Die Försterschule Maienfeld wirkt bei der Waldbewirtschaftung beratend mit.

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